Das Jubiläumsjahr des DMSB ist ein guter Anlass für Rückschau und Ausblick. Denn die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte waren sportlich wie organisatorisch äußerst vielfältig und spannend – und viele neue Herausforderungen bedeuten, dass es genau so bleiben wird. Dieser Artikel ist ein Teil der Themenreihe „25 Jahre DMSB“. Alle Berichte auf einen Blick finden Sie unter www.dmsb.de/25-jahre-dmsb
Es sind die geradezu legendären Sätze von Walter Röhrl, die verdeutlichen, welchen Grad an Fahrzeugbeherrschung er erreicht hatte. Etwa, wenn er über die Nordschleife spricht: „Für alles über acht Minuten ziehe ich keinen Helm auf!” Das ist kein Mangel an Sicherheitsdenken, sondern sein ganz spezielles Maß an Selbstbewusstsein, das für Außenstehende schnell überheblich klingt. Aber der Regensburger ist genau das Gegenteil: Im Privatleben war Röhrl stets bescheiden, führte kein Jetset-Leben, verlor kein Wort zu viel. Zu Autos aber – nicht nur zu Rallyefahrzeugen – hat „der Lange” ein ganz besonders Verhältnis. Beispiel gefällig? „Man kann ein Auto nicht wie ein menschliches Wesen behandeln. Ein Auto braucht Liebe!“ Keine Menschenverachtung, sondern Ausdruck seiner ganz besonders innigen Beziehung, ja seiner Symbiose.
Oder: „Ein Auto ist erst dann schnell genug, wenn man morgens davorsteht und Angst hat, es aufzuschließen.“ Das sind keine Sprüche, um der Sprüche willen. Walter Röhrl ist ein stiller Star der Achtziger, kein Lautsprecher des Instagram-Zeitalters. Es ist seine Art zu sagen, dass Entwicklung im Motorsport immer weitergeht, nie endet. Denn wenn man ein Auto beherrschen kann, dann ist es einfach noch nicht schnell genug, man muss beim Fahrwerk oder beim Motor weiter zulegen. Dann steigt man ein, bändigt das Ungetüm und will es anschließend noch schneller machen.
Dass Motorsportfans in aller Welt solche Gedanken in sich aufsaugen, liegt an der legendären Fahrweise von Walter Röhrl. Überaus exakt, geradezu unspektakulär, kein Quertreiber, sondern ein Rallyefahrer, der mit der Genauigkeit eines Formel-Piloten die Kurven nimmt – allerdings auch auf Schotter oder Eis oder wenn in der Kurve ein paar Hundert Fans die Streckenbegrenzung bilden. Bilder aus dieser Zeit verstören heute. Dennoch sind die Fahrten nicht geprägt von naivem Gottvertrauen, sondern von einer Fahrzeugbeherrschung, die so nur dieser Ausnahmepilot erreichte.
Das Streben nach Perfektion
Zwei Weltmeistertitel (1980 und 1982) mögen auf den ersten Blick nicht viel erscheinen – immerhin bringt es Sébastien Loeb auf deren neun. Doch Röhrl strebte nicht nach Titeln, sondern nach Perfektion. Im scheinbar unkontrollierbaren Hecktriebler (wie dem FIAT 131 oder dem Opel Ascona) oder im völlig übermotorisierten Gruppe-B-Monster Lancia Rally 037 auf spiegelglattem Eis über den Col de Turini bei der „Monte” zu fahren: Das war Röhrls Welt. Nach dem Wechsel zu Audi siegte er zwar auch mit dem vierten Fabrikat bei der Königin der Rallyes, aber das war für ihn nicht mehr dasselbe. Ein Affe könne mit dem Allradler eine Rallye gewinnen, sagte er damals. Nun ja. Was Röhrl meinte: Die Ära der Fahrzeuge, bei denen man Angst haben musste, wenn man einstieg, ging langsam zu Ende. Lange nach seinem Karriereende formulierte die Rallye-Ikone es so: „Rallye war einmal eine Prüfung von Mensch und Material auf Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, auch auf Cleverness. Aber solche komplizierten Sachen stören heute wohl nur die Show. Ich frage mich wirklich, wo – außer beim Vollgas-Geben – heute noch die Kunst liegen soll.“ Damit will der heute 75-Jährige nicht die Vergangenheit oder seine eigenen Leistungen überhöhen. Nein, es ist die sachliche Analyse eines Menschen, der Fahrzeugbeherrschung im Grenzbereich zur Kunstform erhob. Walter Röhrl ist und bleibt – wie Niki Lauda ihn einmal bezeichnete – „ein Genie auf Rädern”.