Nachhaltigkeit als Teamwork-Prozess: Central European Rally
Schon bei der Vergabe des FIA-Prädikats an die internationalen Veranstalter der Rallye durch drei europäische Staaten kristallisierte sich heraus, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen sein sollte. Dieser Ansatz entsprang nicht nur der der Überzeugung aller Beteiligten, sondern war auch mitentscheidend für die öffentliche Akzeptanz des Events. „Um Motorsport in der Mitte der Gesellschaft zu halten, müssen wir das Thema Nachhaltigkeit leben“, bringt es Fritz Schadeck auf den Prunkt. Der Vorstand Sport des ADAC Südbayern leitete das internationale Expertengremium, das hinter den Nachhaltigkeitsmaßnahmen der Central European Rally steht. Er sagt: „Indem wir nachhaltig agieren, sorgen wir für die Zukunftsfähigkeit des Motorsports im Ganzen.“
Nachhaltigkeit als Teamwork
Um dem Anspruch eines umfassenden Nachhaltigkeitskonzepts gerecht zu werden, installierte die Central European Rally schon frühzeitig ein multinationales Gremium. In ihm wurden etwa der Umweltreferent des ADAC Südbayern, hauptamtliche ADAC-Mitarbeiter mit passender Expertise oder auch der Nachhaltigkeitsbeauftragte des österreichischen ÖAMTC versammelt. Für die motorsportliche Fachkunde wurden zudem ausgewiesene Rallye-Experten mit in den Kreis berufen.
Das Team, das schrittweise ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept formulierte, nutzte außerdem externe Experten, wenn die eigenen Fachkenntnisse nicht ausreichten. So wurden für einzelne Teilbereiche – etwa die Messung des CO2-Fußabdrucks – entsprechende Dienstleister mit ins Boot geholt. Die Federführung allerdings blieb im Kern jeweils bei den Motorsportlern. Neben budgetären Gründen war so außerdem gewährleistet, dass sich alle Maßnahmen an der motorsportlichen Realität orientieren.
Nachhaltigkeit als Prozess
Nachdem die FIA den Veranstaltern signalisiert hatte, dass die Central European Rally zum Teil des WRC-Kalenders werden würde, fiel auch der Entschluss, beim neuen Event einen Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit zu legen. Das entsprach den Zielsetzungen der drei Automobilclubs ADAC (Deutschland), ÖAMTC (Österreich) und ACCR (Tschechien) als Träger des Events und harmonierte zudem mit den Strukturen der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC), die wie alle großen FIA-Championate einen konsequenten Nachhaltigkeitskurs eingeschlagen hat. Konkretisiert wurden die Planungen für den Debütlauf im November 2023 bereits im Frühjahr, als erste Zielsetzungen formuliert wurden. Dazu gehörte etwa, dass ein umfassendes Konzept aufgestellt werden sollte, bei dem eine Vielzahl von Maßnahmen einen Beitrag leisten sollte. Die CO2-Vermeidung und -Verringerung sollten ebenso dazu gehören, wie ein möglichst nachhaltiges Agieren beim Routing, dem Aufbau von Zuschauerzonen, Teilnehmerbereichen und vielem mehr. Die Central European Rally wurde so auch zum Testfeld und Schaufenster für nachhaltigen Motorsport.
Fünf Teilbereiche und 44 einzelne Ansätze formulierte der Expertenkreis im Zuge regelmäßig durchgeführter Meetings, von denen schließlich 38 Einzelmaßnahmen in Angriff genommen wurden. Dabei ging es nicht zwingend darum, in jedem Bereich maximalen Erfolg zu erzielen – dazu hätten gerade im Debüt-Jahr der Rallye die verfügbaren Ressourcen nicht ausgereicht. Vielmehr wurde durch den breiten Ansatz sichergestellt, dass der Kurs stimmte, erste Erfolge erzielt und Erkenntnisse für die Zukunft gewonnen wurden. So erwies sich die Idee, regionale Lieferanten in allen Bereichen zu bevorzugen, nicht immer als praktikabel, weil einzelne Materialien eben nur von internationalen Speziallieferanten erhältlich sind. In anderen Bereichen wurde von Beginn an 100 Prozent nachhaltig agiert – etwa durch das vermeiden von Präsenz-Meetings, papierloses Informationsmanagement oder die Zusammenarbeit mit regionalen Catering-Betrieben (statt überregionaler Anbieter).
Ein Großteil der Nachhaltigkeitsbemühungen betraf dabei naturgemäß die Veranstaltungstage selbst: Hier wurde nicht nur eine Fülle einzelner Maßnahmen realisiert, sondern auch auf die Datenerhebung und Dokumentation Wert gelegt, um Erkenntnisse für künftige Rallyes zu gewinnen. Zudem fand während der Veranstaltung die Begutachtung für die FIA-Nachhaltigkeits-Zertifizierung auf dem höchsten Dreisterne-Nivau statt.
Ein Teil der Zertifizierung durch die FIA war auch, Ansätze für die künftige weitere Optimierung zu gewinnen. Damit soll die Erneuerung der Zertifizierung nach zwei Jahren (2025) sichergestellt und gleichzeitig weitere Verbesserungsansätze gefunden werden. Zuätzlich erhob ein externer Dienstleister die notwendigen Daten, um den CO2-Fußabdruck der Rallye messen zu können. Dabei bestätigte sich die Erfahrung, dass der eigentliche Motorsportwettbewerb nur für einen Bruchteil der verursachten CO2-Emissionen (unterhalb ein Prozent) sorgte, das Gros des Footprints dagegen von Zuschauerverkehr verursacht wurde (ca. 95 Prozent).
Auf Basis der Dokumentation der Nachhaltigkeitsbemühungen konnten die Organisatoren einerseits wichtige Ansätze für die Fortschreibung und Optimierung des Konzepts im Jahr 2024 gewinnen. Zusätzlich sollen die Erkenntnisse künftig anderen Motorsportveranstaltern zur Verfügung gestellt werden. Die Skalierbarkeit der Maßnahmen auch für kleinere Veranstaltungen gehörte deshalb schon von Beginn an zu den berücksichtigten Faktoren.
Nachhaltigkeitskonzept
Um einen praktikablen Ansatz zu erhalten, identifizierte das Nachhaltigkeitsteam der Central European Rally fünf große Aktivitätsfelder, für die dann Einzel-Maßnahmen definiert wurden:
a) Zuschauer
Mit zwölf Einzelmaßnahmen zielte man auf die CO2-Vermeidung / -Verringerung etwa durch Shuttletransporte oder auch den Aufruf, Fahrgemeinschaften zu bilden. Im Fokus standen außerdem die Zuschaueraktivitäten vor Ort – vom nachhaltigen Merchandising-Artikel über regionale Verpflegung und Verwendung von Recylcling-Geschirr bis hin zur einheitlichen Müllentsorgung.
b) Teilnehmer
Die Veranstaltung wurde als Schaufenster für nachhaltige Automobiltechnik geplant, wozu neben den Hybrid-Fahrzeugen der FIA WRC etwa auch die Aufnahme des Opel e-Rally-Cups in das Programm beitrug.
c) Organisation
Ein umfangreiches Maßnahmenbündel sorgte in der Organisation für mehr Nachhaltigkeit. Dazu gehörte etwa der Verzicht auf Papier und Präsenzsitzungen, die Nutzung von E-Fuels oder elektrischen Fahrzeugen, die Qualifikation der eingesetzten Ehrenamtler oder auch die FIA-Zertifizierung des Events.
d) Material
Wo es möglich war, wurden Materialien vom Hinweisschild bis zur Bekleidung regional beschafft und aus nachhaltigen Rohstoffen verwendet.
e) Soziales
Eine intensive Zusammenarbeit mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung äußerte sich zum Beispiel in der Beschafftung der Pokale der Rallye in entsprechenden Werkstätten. Ein zuvor festgelegter Anteil der Zuschauereinnahmen floss nach dem Event in soziale Einrichtungen.