FIA ETCR: Pionier-Serie war vielfältiges Experimentierfeld
Fahrzeuge dreier Hersteller gingen in der ETCR an den Start, die von Promotor Discovery Sports Events zunächst als „Pure ETCR“ gegründet wurde und in ihrere zweiten Saison zur offiziellen FIA-Rennserie (FIA eTouring Car World Cup) wurde. Zwischen dem ersten Rennen in Vallelunge 2021 und dem letzten Lauf im Rahmen des ADAC GT Masters aus dem Sachsenring 2022 war die Plattform, in der Renntourenwagen von Hyundai (N ETCR), Cupra (e-Racer) und Alfa Romeo (Giulia ETCR) antraten, die Bühne für eine Reihe von Innovationen und Experimenten.
Im Kern ging es jeweils darum, mit Fahrzeugen auf dem aktuellen Stand der Technik trotz begrenzter Kapazitäten und Reichweiten attraktive Wettbewerbe auszutragen. Die sportlichen und technischen Regularien trugen deshalb den Besonderheiten von E-Automobilen Rechnung und sollten zudem für ein hohes Maß an Nachhaltigkeit sorgen. So verplichtete sich die Serie zu Klimaneutralität und verzichete etwa auf Lufttransporte. Außerdem kompensierte sie ihre CO2-Emissionen durch das Pflanzen von Bäumen.
Das Ende bereits nach der zweiten Saison kam nach ergebnislosen Diskussionen über die sportliche und technische Weiterentwicklung und mangelnde Perspektiven für zusätzliche Teilnehmer und höhere Fan-Attraktivität.
Technische Rahmendaten ETCR
Die ETCR nutzte einen Standard-Elektro-Kit, der von den Serienorganisatoren bereitgestellt wurde und auf den die beteiligten Hersteller ihre Fahrzeugsilhouetten aufsetzten. Damit verwendeten alle Teilnehmer die gleichen Motoren, Inverter, Batterien, Elektronik und Kühlung.
Die beiden Motoren waren an der Hinterachse montiert und stammten ebenso wie die Wechselrichter von Magelec Propulsion Energie, gespeist wurden sie von Batteriepacks von Williams Advanced Engineering.
Mit ihren standardmäßig 300 kW (408 PS) und 500 kW (680 PS) im Boostbetrieb waren die ETCR-Fahrzeuge die zu ihrer Zeit leistungsstärksten Renntourenwagen. Sie verfügten über ein Drehmoment von bis zu 960 Nm und beschleunigten mit ihrem Heckantrieb in 2,7 Sekunden von Tempo 0 auf 100 km/h.
Nicht nur die Fahrzeugbasis war für alle Teilnehmer identisch, auch die Reifen waren einheitlich und sollten ein besonderes Zeichen zum Thema Nachhaltigkeit setzen. Goodyear lieferte einen profilierten Eagle F1 SuperSport, der sowohl auf nasser als auch auf trockener Strecke verwendet wurde. So sollten Fracht- und Materialaufwendungen verringert werden.
Technische Daten ETCR
Leistung (kontinuierlich) | 300 kW | |
Leistung (max) | 500 kW | |
Motor | Zwei Motoren von Magalec Propulsion (1.200 U/min), montiert an der Hinterachse | |
Antrieb | Ein-Gang-Getriebe, DC/DC-Konverter von BrightLoop | |
Drehmoment | bis zu 960 Nm | |
Höchstgeschwindigkeit | 269 km/h | |
Beschleunigung 0 – 100 km/h | ca. 2,7 S | |
Batterie-Kapazität | 62 kWh (Lithium-Ionen) | |
Spannung | 800 V | |
Reifen | profilierte Goodyear Eagle F1 SuperSport ETCR, einheitlich bei allen Streckenbedingungen | |
Aufhängung | Vorderräder: McPherson-Streben Hinterräder: Doppel-Querlenker | |
Ladeinfrastruktur | CCS2-Lader von EnelX |
Innovatives Energiekonzept mit Strom aus Brennstoffzellen
Um der begrenzten Reichweite von Elektrofahrzeugen innovativ zu begegnen, fand die ETCR das überraschende Konzept einer „Stromtankstelle“ mitten im Fahrerlager. Nach jedem Einsatz machten die Fahrzeuge an dieser „Energy Station“ einen Ladehalt, bei dem der mobile HTWO-Fuel-Cell-Generator mit einer Leistung von 160 kW zwei Elektrofahrzeuge gleichzeitig aufladen konnte. Dies reichte aus, um innerhalb von 75 Minuten etwa 90 Prozent der Ladekapazität zu erreichen.
Der vollständig emissionsfreie Strom wurde in diesem Generator von Wasserstoff-Brennstoffzellen generiert, zu deren Versorgung an jedem Rennwochenende ein Vorrat von 300 kg kompimierten Wasserstoff aus lokaler Produktion bereitgestellt wurde. Das System wandelte mittels Elektrolyse Wasserstoff und Umgebungssauerstoff chemisch in Energie um, als einziges Nebenprodukt fiel dabei reines Wasser an.
Hohe Sicherheitsmaßstäbe
Mit Batterien, die im Bereich von 800 V arbeiteten, lag in den ETCR-Rennwagen Hochspannung an. Dies in Verbindung mit den generellen Gefahren der Akkutechnik machte ein besonderes Sicherheitskonzept für die Läufe der Serie notwendig. Dieses beinhaltete Ausrüstung und Verfahren sowie die Einweisung der betroffenen Helfer von der Rennleitung über das Streckensicherungsteams bis zum medizinischen Bereich. Überwacht und umgesetzt wurden die Vorschriften durch einen eigens für die Serie berufenen FIA e-Safety Delegate, der während des laufenden Wettbewerbsbetriebs ständig in Bereitschaft stand.
Das Sicherheitskonzept sah unter anderem eine obligatorische Sicherheitseinweisung speziell für die elektrischen Komponenten vor, die durch eine E-Learning-Plattform ergänzt wurde. Auch gezielte Trainingsmaßnahmen im Vorfeld sah dieses Konzept vor.
Die Fahrzeuge selbst waren mit einem Lichtsystem ausgestattet, das deutlich anzeigte, wann ein Fahrzeug sicher berührt werden konnte. In der Rennleitung konnte außerdem auf Telemetriedaten der Fahrzeuge zugegegriffen werden, die Informationen über den aktuellen Fahrzeugzustand lieferten.
Sportlicher Ablauf
Der sportliche Wettbewerb der ETCR war ganz auf die begrenzte Fahrzeugreichweite und die begrenzt zur Verfügung stehende Ladekapazität (vgl. im Abschnitt „Innovatives Energiekonzpt ...“) abgestimmt. Statt eines mehr oder mehrerer längerer Rennen am Wochenende wurde der Wettbewerb in Form kurzer Läufe (sogenannte „Battles“) mit wenigen Fahrzeugen über eine Distanz von maximal 25 km ausgetragen. Gestartet wurden sie aus einem Startgitter, das ein charakteristisches Merkmal der ETCR wurde. Insgesamt orientierte sich das Wettbewerbsformat stark am Rallycross, ohne allerdings die kompakten und engen Strecken sowie Offroad-Anteile zu übernehmen. Die Saison führte über fünf (2021) bzw. sechs (2022) Rennwochenenden, bei der die ETCR auch immer wieder bei Events der FIA-WTCR (Tourenwagen-Weltcup) und dem ADAC GT Masters Station machte. Während der Läufe stand den Piloten ein „Power-up-Modus“ genannter Energieboost zur Verfügung, der für einige Sekunden die maximale Fahrzeugleistung abrief. Dominiert wurde die ETCR von Hersteller Cupra, der in beiden Jahren die Fahrer- und Teamwertung gewann. Die Rennwochenenden führten über drei Tage, wobei der Freitag den Freien Trainings für alle Fahrzeuge gehörte. Für Samstag und Sonntag wurden zwei Teilnehmerpools („Fast“ und „Furious“) mit je sechs Teilnehmern ausgelost, die ihre Wettbewerbe jeweils unabhängig von der anderen Gruppe austrugen.
Innerhalb des Pools begann der Wettbewerb mit einem Zeitfahren, bei dem die volle Motorleistung abgerufen werden durfte und anhand dessen Ergebnisse zwei Dreiergruppen für das Viertelfinale bestimmt wurden: Die drei Trainingsschnellsten fuhren im ersten, die drei weiteren Teilnehmer des Pools im zweiten Heat. Diese ersten „Battles“ führten über maximal 15 Minuten. Im Halfinale 1 kämpften die Plätze eins und zwei aus Viertelfinale 1 und der Erste aus Viertelfinale 2; die drei verbleibenden Piloten fuhren das Halbfinale 2. Aus den Ergebnissen dieser Halbfinale ergab sich die Startaufstellung für das SuperFinal, in dem schließlich alle sechs Poolfahrzeuge gegeneinander antraten. Ab dem Viertelfinale wurde mit 300 kW Motorleistung gefahren, die für maximal 40 Sekunden 500 kW geboostert werden durften. Treffpunkt aller Fahrer zwischen den Battles war eine „Hot Zone, in der sie gemeinsam die Rennen der anderen Gruppen verfolgten.